Nur elf Prozent der Schweizer Arbeitnehmenden sorgen sich um ihren Arbeitsplatz. Das zeigt eine Studie der Berner Fachhochschule im Auftrag des Arbeitnehmenden-Dachverbandes Travail Suisse. Dafür kommt das Barometer zum Schluss, dass sich 43 Prozent der Angestellten oft gestresst fühlen. Dieser Wert steigt seit acht Jahren stetig – solange wird die Befragung bereits durchgeführt.
Der Präsident von Travail Suisse, Adrian Wüthrich, ist besorgt: «Unsere Zahlen zeigen, dass der Stress ein grosses Thema ist. Die Arbeitnehmenden denken auch während ihrer Freizeit noch oft an die Arbeit. Diese Vermischung zwischen Arbeit und Freizeit im privaten Bereich wird stärker. Das ist eine Tendenz, die wir mit Sorge beobachten.»
Deshalb erstaunt nicht, dass viele Leute den Job wechseln wollen. Insbesondere jene, die mitten in ihrer Karriere stehen. «Wir haben festgestellt, dass diese Wechselbereitschaft sehr hoch ist. Aufgerechnet auf den Schweizer Arbeitsmarkt sagen 650’000 Leute, dass sie wegen des Stresses in den nächsten zwölf Monaten den Arbeitsplatz zu wechseln gedenken», sagt Wüthrich.
Insbesondere im Gesundheitswesen geht es stressig zu und her. Wenn man die Arbeitgeber darauf anspricht, verneinen diese das gar nicht. «Die Erwartungen an die Arbeitnehmenden, aber auch an die Betriebe, sind heutzutage hoch. Wichtig ist, dass man die gute Balance hält. Hier sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber gefragt», sagt Daniella Lützelschwab vom Schweizerischen Arbeitgeberverband.
Die Studie sagt aber auch, dass 70 Prozent der Befragten die Erholungszeit als genügend erachten. Ein Wert, der seit Jahren gleich bleibt. Da hat auch Corona geholfen: In gewissen Branchen wurden hybride Arbeitsmodelle eingeführt. Es kann also sowohl von zu Hause als auch vom Büro aus gearbeitet werden.
Und andere Branchen wie die Gastronomie haben erkannt, dass sie die Arbeitnehmenden mehr wertschätzen müssen. Das führt zu mehr Arbeitsplatzzufriedenheit. Travail Suisse fordert deshalb, dass die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mehr Wert auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie legen. Da habe man einen Hebel.
Eine weitere Belastung für viele Angestellte ist die Teuerung. Adrian Wüthrich von Travail Suisse fordert deshalb einen Ausgleich der Teuerung in diesem Lohnherbst. «Auch das Parlament ist in der nächsten Session gefordert, einen Schritt bei der Prämienverbilligung zu machen.»
Erste Lohnrunden zeigen allerdings, dass grosse Firmen die Teuerung nächstes Jahr nicht vollständig ausgleichen. Zusätzlich steigen die Krankenkassenprämien stark. Der Kaufkraftverlust ist vorprogrammiert.
Bis Mitte 2023 müssen alle Firmen mit mehr als hundert Angestellten analysieren, wie es um die Lohngleichheit bestellt ist. Bis jetzt habe erst ein Viertel dies gemacht, so Wüthrich. Die Arbeitgeber würden dies laut eigenen Aussagen schon schaffen, sagt Daniella Lützelschwab vom Arbeitgeberverband.
Es lägen bereits Resultate vor, sogar positive: «Viele Lohnanalysen zeigen, dass es praktisch keine Lohndifferenzen gibt, die nicht erklärt werden können. Das Bild ist durchaus positiv», so Lützelschwab. Auch Travail Suisse bestätigt dies, gibt aber zu bedenken, dass es in diesen Studien auch zu statistischen Ungenauigkeiten von bis zu 5 Prozent kommen kann.
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